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In der Röhre über den Röstigraben
Der ehemalige SBB Chef Andreas Meyer wagt im Amriswiler Pentorama einen Blick in die Zukunft der Mobilität.
Am Wissenschaftskongress vom Denk-Raum-Bodensee und dem Think Thank Thurgau im Amriswiler «Pentorama» skizzierte Andreas Meyer das Bild einer Mobilität, welche auch zukünftig ihren Teil zum helvetischen Wohlstand beitragen könnte. Zugleich versah der ehemalige Chef der SBB seine Gedanken jedoch mit einem dicken Fragezeichen, denn «es wird nicht so darauf ankommen, dass wir durch die Coronakrise kommen, sondern auch darauf, wie wir durch die Krise kommen».
Ein Wettlauf zwischen Viren und Menschen
Meyer zeigte sich überzeugt, dass der Verkehr zu Arbeits- und Bildungseinrichtungen zukünftig deutlich abnehmen werde: «Corona hat uns gezeigt, dass man gut zu Hause arbeiten kann, sei es beruflich oder im Studium». Zunehmen werde der Freizeitverkehr als «Gegenpol zur digitalen Welt», mutmasste Meyer. Wie sich der Tourismus-Verkehr generell entwickeln werde, wagte er jedoch «nicht zu spekulieren». Denn dies hänge auch davon ab, ob nach dem Covid-19-Virus nicht schon bald das nächste Virus auf der Welt grassiere. Die Viren, der Mensch und die Suche nach einem jeweiligen Impfstoff befänden sich in einem ständigen Wettlauf, bei dem man nicht davon ausgehen dürfe, dass der Mensch diesen jedes Mal gewinnen werde, mahnte Meyer. Auch könne die Maskenpflicht mehr oder weniger zum Dauerzustand werden: «Wir müssen, bei allem was wir tun, davon ausgehen, dass es weitere solche Einschränkungen geben kann, wie wir sie heute kennen».
Wie der Verkehr im Jahr 2050 aussehen könnte, sei aber, ungeachtet diverser Planspiele, noch völlig offen. Denn 30 Jahre seien im Verkehrsgeschäft ein sehr langer Planungshorizont – und gab ein selbsterlebtes Beispiel: «Als ich vor 13 Jahren bei den SBB anfing, gab es weder ein elektronisches Ticket und auch noch keine elektronischen Informationen». Umgekehrt sei im gleichen Zeitraum die Anzahl der beförderten Personen explodiert: «Wir haben seit 2007 bis vor der Coronakrise um 50 Prozent bei den Personentransporten zugelegt», so Meyer. Nichtsdestotrotz sei der planende Blick in die Zukunft enorm wichtig, zumal die Schweiz kein richtiges Raumplanungsinstrument besitze, denn «die Raumplanung in unserem Land erfolgt im Grunde genommen über die Verkehrsinfrastruktur. Und da vor allem über den öffentlichen Verkehr», so Meyer.
Eine tolle Idee sei das von ETH-Studenten angedachte Vakuumtransportröhrensystem. Dieses habe, sollte es reibungslos funktionieren, das Potenzial, um den Verkehr und das gesellschaftliche Zusammenleben im ganzen Land zu revolutionieren. «Wir könnten so einen ‹Gotthard›-Effekt auf der West-Ost-Achse erreichen, denn man wäre in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit im jeweils anderen Landesteil. Und das würde sicher dazu beitragen, dass wir in der Schweiz unseren ‹Röstigraben› überwinden könnten.» Vorderhand seien das aber nur Träume. Real müssten sich die Anbieter mit der Frage beschäftigen, wie man die Angebote noch verbessern kann, um neue Kunden zu gewinnen oder zumindest die alten bei der Stange zu halten. «Da haben wir noch genug zu tun, denn bei einer Auslastung von 20 Prozent im Regionalverkehr und von 30Prozent im Fernverkehr haben wir hier noch viel Raum für Steigerungen», so Meyer.