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Freiwilligenarbeit: Nicht immer gefragt
FREIWILLIGENARBEIT ⋅ Viele soziale Institutionen kommen kaum ohne die Hilfe Freiwilliger aus. Doch nicht immer sind jene, die helfen wollen, für alle Einsätze geeignet, wie Benevol-Thurgau-Präsident Paul Engelmann erklärt.
Wäre Benevol Thurgau ein Kind, so stünde der thurgauische Dachverband für Freiwilligenarbeit mit seinen aktuell sechs Jahren an der Schwelle zum Wechsel vom Kindergarten in die Primarschule. Auch für Benevol hat sich in den Jahren seit seiner Gründung einiges geändert. Einer, der davon ein Lied singen könnte, ist Benevol-Thurgau-Präsident Paul Engelmann aus Müllheim.
Laut Engelmann ist die Sensibilität fürs Ehrenamt in den vergangenen Jahren bei vielen Menschen "gewachsen", doch habe sich der Charakter der Freiwilligenarbeit deutlich verändert. "Früher gehörte es einfach zum guten Ton, dass man sich in einem Verein oder einer Organisation ehrenamtlich engagiert und der Gesellschaft so etwas zurückgegeben hat." Heute sei es immer öfter anders. Zwar gebe es auch noch viele Ehrenamtliche, doch engagieren sich diese vor allem ausserhalb fester Strukturen. "Vereine und Verbände haben es immer schwerer, Freiwillige zu finden, befristete Projekte hingegen nicht", sagt Engelmann.
Der Müllheimer weiss ganz genau, wovon er redet, stand und steht er doch immer noch als einer der Top-Sportfunktionäre der Schweiz unermüdlich im Einsatz. Vom Oberturner über den Kantonsvorstand bis hin zum Präsidenten des Schweizerischen Turnverbandes und Mitglied des Exekutivrates von Swiss Olympic reichte seine Ehrenamtskarriere. Als Exekutivrat half er mit,
die Organisationsstruktur, die Arbeitsbereiche und die mittel- und langfristigen Planungsziele von Swiss Olympic festzulegen.
Auch heute lässt ihn das Engagement zum Wohle der Gesellschaft nicht los; sei es als Präsident des Schweizer Sportmuseums, als gewähltes Mitglied am Sportgericht in Lausanne oder – auf kantonaler Ebene – als freiwilliger Fahrer der Thurgauer Krebsliga.
Freiwillige bieten umsonst Hilfe an
Betrachtet man Engelmanns nach wie vor persönliche hohe Auslastung, so könnte man meinen, dass an Freiwilligenarbeit kein Mangel herrsche. Und doch kommt es vor, dass Benevol Thurgau auf der Webseite nicht Freiwillige für einen Einsatz sucht, sondern umgekehrt, dass Freiwillige umsonst ihre Dienste anbieten. Erst kürzlich war dort nachzulesen, dass eine junge Frau gerne ihre Dienste anböte. Scheinbar vergebens – und dabei war sie keineswegs wählerisch. Im typischen Inserate-Stil stand dort bezüglich Einsatzmöglichkeiten geschrieben: "Engagement mit Betagten, Beeinträchtigten, Personen begleiten/betreuen, Natur und Umwelt, Kultur, gern auch in einem Verein in Arbon."
Und dabei war sie nicht die Einzige, die sich nach einer sinnvollen Tätigkeit umsah. Ein Mann wollte sich samstags in Egnach sozial engagieren. Ein anderer wiederum wollte seine Fremdsprachenkenntnisse einsetzen und ein Dritter suchte während seines Bildungsurlaubs eine Möglichkeit, sich entweder sozial oder für die Natur und Umwelt zu engagieren.
Engelmann freut sich über diese Angebote, doch ist er nicht überrascht, wenn es nicht immer zu Einsätzen kommt. "Manchmal kommen die Freiwilligen mit guten Absichten, aber mit falschen Vorstellungen zu uns." Dies betreffe oft sowohl die realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Qualifikationen als auch weitere Fakten, welche die praktische Verwendbarkeit der Freiwilligen einschränken. "Wenn jemand nur am Samstagvormittag helfen kann, dann schränkt dies die Einsatzmöglichkeiten schon ein."
Gleichwohl sieht Engelmann in Benevol jene Dachorganisation, die sich um die möglichst gute Nutzung solcher Hilfsangebote bemüht – indem sie die Angebote an andere Organisationen wie Pro Senectute, Pro Infirmis oder Pro Juventute weiterleitet. Für hilfsbereite Menschen, die zuvor noch nie ehrenamtlich gearbeitet haben, empfiehlt er einen informativen Besuch auf der Benevol-Geschäftsstelle: "Dort können wir im persönlichen Gespräch feststellen, für welche Aufgabe sie sich am besten eignen."