Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Die Geschichte des Hotels Bodan und des Bodansaals

Donnerstag, 3. März 2011

Es gibt im Leben Dinge und Geschehnisse, die sind für Auswärtige fast unverständlich, lassen aber bei Einheimischen heftige Diskussionen und Emotionen aufkommen. Rote Köpfe sind dabei oftmals das Mindeste; vielmehr wird mancher Streit privat und öffentlich ausgetragen, wenn es um die „eine Sache“ geht.

CHRISTOF LAMPART

Eine solche „Sache“ hat praktisch jede Gemeinde. Auch Romanshorn. Hier ist es das 1856 erbaute Hotel Bodan und dabei insbesondere der 1938 hinzu gekommene Mehrzwecksaal, die seit Jahrzehnten im Dorf zu reden geben.

Tatsächlich war die Immobilie an prominenter Lage nicht erst seit der gegenwärtigen Saal-Standortfrage stetes Dorfgespräch.  Der „Bodan“ war für Romanshorn schon immer mehr als „nur“ ein Hotel oder ein Mehrzwecksaal. Manch ein Alteingesessener betonte im Gespräch, dass es gerade erst dieser Saalbau gewesen wäre, welcher dem Dorf einen guten Ruf in der ganzen Schweiz beschert habe. Und immer wieder hörte ich bei der Recherche Sätze, wie „Der Bodan hat wesentlich zur Identität von uns Romanshornern beigetragen“ oder einmal sagte mir ein alter Herr sogar leicht pathetisch, „Der Bodan ist Romanshorn“. Doch woher rührt dieser Nimbus?

Am besten werfen wir dafür einen Blick zurück und starten unsere Geschichte vor gut 180 Jahren.  

Die Vorgeschichte: Was zum „Bodan“-Bau führte

Das Beste, was man aus heutiger Sicht über das Romanshorn der frühen 1830-er Jahre sagen kann, ist, dass es damals weitestgehend unverbaut, naturbelassen und ländlich war. Auch wenn es heute einige Leute gibt, die romantisierend behaupten, Romanshorn sei ein Fischerdorf gewesen, so gibt es keine Belege dafür. Jedoch dürften – bei einer Seelage ja eigentlich selbstverständlich – einige Familien durch den Fischfang ihren eigenen Speisezettel aufgebessert haben. Dass der Fischfang von Romanshorn früher je einmal  im grossen Stil kommerziell betrieben wurde, kann jedoch nicht nachgewiesen werden.

Mit anderen Worten: Romanshorn war um 1830 herum ein Kaff, wie es im Buche steht.

Doch das sollte nicht lange so bleiben. Denn diese Epoche war die eines gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufbruchs . So reichten die Romanshorner am 15. Mai 1835 bei der Regierung in Frauenfeld eine Bittschrift zum Bau eines grösseren Hafens für die aufkommenden Dampfschiffe ein. Drei Jahre später regte der österreichische Ingenieur Negrelle an, eine Bahnlinie durch den Thurgau zu bauen. Praktisch zeitgleich beschliesst  der Kanton Thurgau –auf Bitten der Romanshorner Schiffsleute und des Gemeinderates – den Bau einer richtigen Landstrasse zwischen Amriswil und Romanshorn. Um 1840 macht sich diese Strasse schon positiv für Romanshorn bemerkbar, wird doch das „Fischerdorf“ mehr und mehr zum Umschlagplatz und baut seine Bedeutung als Handelsort ins Hinterland aus.

Wo Erfolg ist, bleibt bekanntlich weiterer Erfolg nicht aus. In Romanshorn kam er mit der Eisenbahn. In einer Grossratsdebatte von 1840 entwirft der Thundorfer Oberrichter Joachim Bachmann die Vision einer Eisenbahn, die vom Genfer- bis zum Bodensee reicht – und wird dafür von der Mehrheit der Ratsmitglieder ausgelacht.

Dass nur 15 Jahre später zumindest Romanshorn mit Winterthur und Zürich verbunden sein wird und dadurch  den Grundstein für einen Aufstieg vom Kaff zum gefühlten „Weltdorf“ hinlegen wird, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.

Unbestritten ist jedoch, dass der 1840 gefasste Beschluss des Grossen Rates, den Hafen in Romanshorn zum grössten Hafen am Bodensee auszubauen, massgeblich dazu beigetragen hat. 1844 ist der Hafenausbau vollendet – und das Dorf profitiert enorm davon. Denn wo in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrmals am Tag Schiffe anlegen, blüht der Handels- und Personenverkehr auf – und mit letzterem auch der Tourismus. Romanshorn entwickelt sich in der Folge rasant. Von überall her kommen die Leute, um den neuen Hafen zu bestaunen und machen eine Rundreise per Dampfschiff. Die Ortschaft zählt bald einmal 42 Wirtschaften.

In diesen Boom-Jahren mag es durchaus „hilfreich“ gewesen sein, dass es 1849 im Dorf dreimal brannte und dabei viele alte, schäbige Häuser den Flammen zum Opfer fielen. Spätestens beim dritten Mal fragten sich viele, ob all die Brände nur Zufälle gewesen seien. Mitunter war im Dorf auch vom „grossen Aufräumen“ die Rede, welches gezielt angegangen worden sei, um Platz für neue Projekte und Bauten zu schaffen. So war denn auch genug Platz vorhanden, als 1853 der Bund die Konzession zum Betrieb einer Eisenbahnlinie von Winterthur nach Romanshorn durch die Nordostbahngesellschaft (NOB) erteilte. Zwei Jahre später, am 15. Mai 1855, wurde die Eisenbahnlinie mit einem grossen Fest eingeweiht.  Insgesamt kosteten der Hafenumbau und die Bahnstrecke die für damalige Verhältnisse riesige Summe von neun Millionen Franken. 

Nun sollte schon bald die „Geburtsstunde“ des Hotels Bodan schlagen.

Das Hotel Bodan – eine gute und teure Adresse

Am 19. April 1856 kaufte der Restaurateur Hermann Mayer von der Nordostbahn und von den Herren „Beutner & Co.“ Boden zur Erstellung des Hotel Bodan. Von wo her Mayer kam, und was seine Beweggründe waren, gerade hier zu bauen, lässt sich heute leider nicht mehr eruieren. Genauso wenig wie der Kaufpreis. Immerhin vermutet der Romanshorner Dorfchronist Jakob Schoop in seiner 1945 publizierten „Geschichte von Romanshorn“, dass es in der Frühzeit der Eisenbahngeschichte vor allem die Angst der Reisenden gewesen sei, welche Gasthäuser und Hotels wie den “Bodan“ wie Pilze aus den Boden schiessen liessen. Schoop schreibt:

„Bekanntlich glaubte man früher, immer noch „eins“ nehmen zu müssen, bevor man sich den rollenden Rädern anvertraute. Diesem Bestreben Rechnung tragend, entstanden überall in der Nähe der Eisenbahnstationen Hotels und Restaurants.“

Da vor 1870 noch keine Register über die erteilten Wirtschaftspatente auf der Gemeindekanzlei Romanshorn geführt wurden, ist heute nicht mehr genau nachvollziehbar, wer in der ersten Zeit auf dem Hotel Bodan wirtete. Immerhin ist durch eine „mündliche Überlieferung“ (Zitat aus einer „Bodensee-Zeitung“-Ausgabe von 1938) gewiss, dass unmittelbar vor 1870 der Vater von Kommandant Heinrich Guhl den „Bodan“ geführt haben muss.

Das Dorf entwickelt sich weiterhin rasant, so dass der evangelische Pfarrer von Romanshorn, Gabriel Walser, 1861 vermerkt, dass für die materiellen Bedürfnisse der Fremden und Einheimischen  sowie für das gesellschaftliche Leben in Romanshorn „im Überfluss“ gesorgt sei. Unter anderem erwähnt er dabei den „Gasthof Bodan“. Wie bekannt und angesehen das Haus in den folgenden Jahren wurde, zeigt sich auch im „Klagelied über Romanshorn“, das dem Telegraphisten Schürpf zugeschrieben wird und das im Januar 1876 einige Romanshorner aufführten. Nach der Melodie zum deutschen Volkslied „Auf der schwäb’sche Eisenbahnen“ heisst es:

„Hotel Bodan ist der erste,

doch nur für die noblen Gäste

Wer nicht Geld hat grad wie Dreck,

bleib vom Hotel Bodan weg.“

Kein Zweifel: Das Hotel Bodan hatte sich in wenigen Jahren einen sehr guten Ruf erarbeitet. Und es ist auch ein Sujet, mit dem Romanshorn werben kann. Davon zeugen zahlreiche Ansichtskarten, mit dem nicht nur der Name Romanshorns, sondern auch der des „Bodan“ in die Welt hinaus getragen wird.

Der lange Weg zum Saalbau

In den folgenden Jahrzehnten wechseln sich Besitzer, Pächter, Konkurse und die damit verbundenen Verkäufe beim „Bodan“ munter ab. Der rege Handel offenbart, dass die Immobilie für den jeweiligen Besitzer zwar als solche attraktiv war, jedoch auch einen gewichtigen Mangel aufwies: man konnte in ihr zwar gediegen vermögende Gäste beherbergen, jedoch keine kommerziell ergiebigen Grossveranstaltungen durchführen. Allerdings war das nicht nur ein Problem des „Bodan“, sondern eines von ganz Romanshorn.

Tatsächlich beklagten immer mehr Romanshorner Vereine zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ungenügenden Platzverhältnisse für öffentliche Vereinsanlässe wie Unterhaltungs- oder Theaterabende. Schon frühzeitig wünschten sich die Dorfvereine eine Lösung, doch ein Silberstreifen am Horizont kam erst in Sicht, als der Romanshorner Lehrer Anton Künzle 1933 eine Saalbaukommission gründete. Deren Prioritäten sind klar: Zuerst will man den ideellen und vor allem auch finanziellen Rückhalt bei den Vereinen, der Politischen Gemeinde und den übrigen Dorfkorporationen abklopfen, bevor man sich auch nur ansatzweise mit der Standortfrage befasst.

Im Juni 1935 sprechen sich alle an eine Versammlung eingeladenen Vereine einstimmig für die Verwirklichung eines Saalbaus aus. Dieses deutliche Zeichen veranlasst die Kommission des Wasser- und Elektrizitätswerkes Romanshorn dazu, die finanziellen Mittel für Vorstudien zur Verfügung zu stellen. Die Saalbaukommission wird von11 auf 14 Mitglieder ergänzt und nimmt ihre Arbeit auf breiter Basis auf.

Nun wird auch die Standortfrage wieder aktuell. Auf ein Inserat hin, in dem die Kommission nach geeignete Bauplätzen sucht, melden sich sechs Immobilien- und Grundstückeigentümer – darunter auch der Besitzer des „Bodan“, Metzgermeister und Gemeinderat Eduard Widler. Anfangs 1937 schält sich immer mehr die Idee der Angliederung des Saalbaus an das bestehende Hotel Bodan heraus. Eine Idee, die hinsichtlich Betriebsführung und Selbsterhaltungsmöglichkeit eine viel günstigere Prognose als ein freistehender Saalbau ergab, wie er auch diskutiert wurde.

Dann geht es auf einmal sehr schnell.

Die Architekten Wildermuth (Winterthur) und Zöllig (Arbon) taxieren am 11. Februar 1937 in einem Gutachten, dass ein Kaufpreis von 240‘000 Franken für das Hotel Bodan angemessen ist – zumal dessen baulicher Zustand „gut“ sei. Der Verkehrswert der Gebäulichkeiten wird auf 183‘300 Franken, der des dazu gehörigen Grund und Bodens auf 49‘500 Franken geschätzt. Total hat das Objekt also einen Verkehrswert von 232‘800 Franken. Die geforderten 240000 Franken werten die Architekten als „angemessen“. Hinzu übernehmen die Käufer noch die Kosten von 5185 Franken – so hoch ist die Restschuld für die vorhandene Kühlanlage. 16 Tage später erwirbt die Saalbaukommission den „Bodan“ für 240‘000 Franken von Eduard Widler. Dieser wird jedoch verpflichtet, für 20‘000 Franken Anteilsscheine zu zeichnen. Das erworbene Objekt umfasst 40 Aren und 12 Quadratmeter .

Der Finanzierungsplan, welcher beim Bund samt Subventionsgesuch eingereicht wird, sieht Kosten von 700‘000 Franken vor, die sich wie folgt aufteilen: 240‘000 für den Kauf des Hotels, 450‘000 Franken für den Saalbau und 10‘000 Franken für Unvorhergesehenes. Der Bund erklärt sich bereit, 15 Prozent (max. 66‘000 Franken) zu übernehmen und der Kanton Thurgau garantiert einen Beitrag von 3 Prozent (12‘000 Franken). Die  Kommission des Wasser- und  Elektrizitätswerkes beschliesst 120‘000 Franken à fonds perdu zu zeichnen – falls die Vereine sich für einen Saalbau engagieren. Und das tun diese. Am 28. Juni treffen sich die Vertreter von 33 Vereinen im „Schäfli“ und geben eine Erklärung ab, wonach sie sich „mit allem Nachdruck“ für die Verwirklichung des Saalbaus einsetzen wollen. Soviel Engagement kam auch beim Wasser- und Elektrizitätswerk Romanshorn gut an. Dessen Korporationsversammlung beschloss am 30. Juni, mit 156 Ja zu 8 Nein, Anteilscheine im Wert von 120‘000 Franken zu zeichnen.

Nun steht praktisch ganz Romanshorn hinter dem Projekt. Stimmen, welche anfänglich vor einem finanziellen Desaster  warnten, gehen in der allgemeinen Saalbau-Euphorie unter. Als der Gemeindeammann von Romanshorn, Jakob Annasohn,  am 7. Juli an einer öffentlichen Informationsveranstaltung in der Turnhalle erklärt, dass sich die Gemeinde mit 60‘000 Franken am Saalbau beteiligen wolle, wird nicht einmal mehr die Diskussion benützt. Und so verwundert das Abstimmungsresultat am 10. Juli 1937 niemanden mehr:  Romanshorn sagt mit 922 Ja zu 305 Nein deutlich Ja zum Saalbau.

Schnell, aber zu teuer gebaut

Wie speziell dieser Saalbau war, lässt sich für viele Menschen heute gar nicht mehr ermessen. Tatsächlich war er weit mehr als „nur“ eine Mehrzweckhalle für die lokalen Vereine. Vielmehr galt er im ganzen Kanton als Sinnbild dessen, was eine Randregion erreichen könne, wenn sie nur gezielt für ihre Anliegen einstünde. Bezeichnend dafür war Folgendes:  Als das positive Abstimmungsergebnis  anlässlich des kantonalen Sängerfestes in Frauenfeld durch den Lautsprecher verkündet wurde (!) kam es in der ganzen Festhütte – also nicht nur unter den Romanshornern – zu lauten Beifallsbekundungen.

20 Tage nach der Abstimmung – am 30. Juli – wird die „Saalbau-Genossenschaft Romanshorn“ gegründet. Der Nennwert der ausgegebenen Anteilscheine beläuft sich auf 250 Franken. Knapp zwei Monate später, am 29. September, fahren Bagger auf und beginnen mit den Arbeiten. Da das Wetter 1938 lange mild ist, schreitet die Arbeit gut voran. Am 22. November sind die Fundamente fertig und selbst an Heiligabend wird geschafft: „Betonieren des östlichen Drittels der Eisenbetondecke über dem Untergeschoss.“, lautet am diesen Datum ein Vermerk. Unmittelbar danach bringt jedoch ein plötzlicher Kälteeinbruch die Arbeit für drei Wochen zum Erliegen. 

Als nach der Kälteperiode die Arbeit wieder aufgenommen wird, kommt es kurz darauf zur „Katastrophe“, brennt doch in der Nacht des 30. Januars die Bodan-Scheune ab, was die Verwaltung dazu zwingt, neu zu planen. Sie beschliesst, die Brandruine zu beseitigen, und ein neues Garagengebäude zu erstellen. Und das, obwohl erst kurz zuvor das Scheunen-Dach saniert und weitere, nicht genauer genannte „Verbesserungen vorgenommen worden“ waren, wie es in einer Zeitungsnotiz  heisst. In Romanshorn wird darauf hin gemunkelt, dass der Brand vielleicht doch nicht einem unglücklichen Zufall entsprungen sein könnte. Bewiesen wird aber nie etwas. Dass sich die Gerüchte hartnäckig im Dorf hielten, zeigte sich jedoch auch in einem Schülerbeitrag, der in der Saalbau-Sonderausgabe der „Schweizerischen Bodensee-Zeitung“  vom 24. September 1938 publiziert wurde. Dort schrieb ein nicht namentlich genannter Schüler leicht ironisch:

„Ein glückliches Geschick wollte, dass die alte, die Gegend verunstaltende Scheune abbrannte, an deren Stelle jetzt eine grosse Garage steht, in der fünf Autos Platz haben.“

Der Bau ging weiter zügig voran. Doch mit den Bauvorschritten kletterten auch die Kosten, so dass Verwaltungsrats-Präsident Holliger schon am 7. Februar an einer öffentlichen Versammlung vor rund 70 Zuhörern über „unvorhersehbare Mehrkosten“ informieren muss. Anstatt die einst für den reinen Bau des Saals vorgesehenen 405‘000 Franken wurde bereits die gesamte Summe von 450‘000 Franken ausgegeben – und 70000 weitere Franken seien noch zu finanzieren.  Dies soll durch eine Aufstockung der ersten Hypothek geschehen, sei doch die bisherige Fremdkapital-Aufnahmen „nicht übersetzt“.

Am 10. März wird bei schönem Wetter das Aufrichtmahl im Hotel Bodan gefeiert. Die „Schweizerische Bodensee-Zeitung“ schreibt über den Anlass:  

„Ernst und Scherz in bekömmlicher Mischung zeichneten das Aufrichtfestchen aus und in verschiedenen, teils vorbereiteten, teils improvisierten Ansprachen, kam es zu gegenseitigen Dankeskundgebungen.“

Den ganzen Sommer hindurch wird fleissig weiter gebaut. Am 31. Juli erfolgte die Eröffnung der oberen Terrasse, anfangs  August die Bühnenmontage und am 10. August wird die Montage der Kegelbahn beendet. Ihr schlossen sich die Parkettarbeiten an und Mitte September wird die Bühneneinrichtung komplettiert, so dass am 24. September der Saal feierlich eingeweiht werden kann. Doch schon da schwebte gewissermassen ein Damoklesschwert über Romanshorn, hatte doch der Bau nicht nur 700‘000, sondern ganze 850‘000 Franken verschlungen. Aber noch dachte niemand daran, dass das Geld nicht so schnell wieder herein geholt werden könnte, denn der 24 Meter lange, 14 Meter breite und 9 Meter hohe Bau, welcher bis zu 700 Personen Platz bietet, war damals in der weiteren Region konkurrenzlos. Der Saal sei nicht nur für Vereinsanlässe, sondern auch für nationale Tagungen und internationale Kongresse geeignet, hiess es. Und das „Weltdorf“ Romanshorn schien drauf und dran, nach seiner Hochzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, eine weitere Renaissance zu erleben.

Doch dann brach der Zweite Weltkrieg aus.

Und auf einmal war es vorbei mit den Einnahmen und der sich erträumten Herrlichkeit. Denn im vom Krieg zerrütteten Europa dachte man wohl an vieles – wohl aber kaum an Tagungen in Romanshorn. Viele Handwerker sahen ihr in Form von Anteilscheinen eingeschossenes Geld nicht mehr. Mehr noch: das Betriebsdefizit wuchs in den ersten fünf Jahren auf beinahe 50000 Franken an. Wieder war das Wasser- und Elektrizitätswerk Romanshorn der Retter in der Not, indem es den Betrieb sanierte.

E.A. Züllig: Eine 32-jährige Erfolgsgeschichte

Und dann kam – unverhofft kommt oft - 1942 die eigentliche „Rettung“ des „Bodan“ in Sicht. Genau genommen war es kein „Ereignis“, sondern lediglich der „Auftritt“ eines jungen Mannes von 28 Jahren: Ernst Arnold Züllig. Dass der gebürtige Egnacher in Sachen „Bodan“ die Wende zum Guten bringen würde, konnte damals natürlich noch niemand ahnen. Rückblickend lässt sich jedoch heute sagen, dass es alleine der Tatkraft jenes gelernten Kochs und seiner Gattin Martha zu verdanken war, dass der Saalbau endlich zu dem wurde, was viele Romanshorner sich schon lange von ihm erhofft hatten: ein (Kultur-)„Leuchtturm“, der von Romanshorn aus nicht nur in die erweiterte Region, sondern in die ganze Schweiz ausstrahlte. Romanshorn war wieder wer – und das war einzig und alleine E. A. Zülligs – wie er von allen genannt wurde -  Verdienst.

Er begründete im Bodan-Saal  die Epoche der legendären Fastnachtsbälle, schuf die originellen Jekami (Jeder kann mitmachen)-Abende und liess bei jeglicher Gelegenheit gerne lange und laut feiern. Und das volle 32 Jahre lang.

Doch der Anfang war schwer und trist. Einer von Zülligs Söhnen, der 1958 geborene Andreas, welcher heute selbst das Hotel Schweizerhof in Lenzerheide führt, erinnert sich an vieles, was ihm seine Eltern einst erzählten:

„Laut Schilderungen meiner Eltern übernahmen sie den „Bodan“ am 30. September 1942 in einem desolaten Zustand. Die Lebensmittelmarken waren grösstenteils abgelaufen und die Kohle- und Lebensmittellager leer. Da hat es meinem Vater geholfen, dass er die Bauern in der Umgebung von seiner Jugend her kannte. In der Dunkelheit ging er mit dem Velo, natürlich ohne Lebensmittelkarten, zum „Einkaufen“. Einmal konnte er ein halbes Schwein erstehen. Da man von aussen in die Hotelküche schauen konnte, nahm er das Schwein mit ins Büro und fing als gelernter Koch an, es in seine Teile zu zerlegen. Meine Mutter wusste natürlich von nichts und nahm einen Gast mit ins Büro. Zum Glück war es ein Gast, der nicht gleich zur Polizei lief, um meinen Vater wegen Schwarzhandels anzuzeigen.“

Nach dem Krieg ging es mit der Wirtschaft rasch wieder aufwärts. Mit Sonderschiffen wurde die leidende deutsche Bevölkerung für eine Fahrt über den Bodensee eingeladen. Zum „Zvieri“ durften alle im „Bodan“ zu Kaffee und Kuchen einkehren. Da es im Hotel jedoch nur edles Silberbesteck gab und Zülligs Angst davor hatten, dass dieses gestohlen werden könnte, wurde flugs Aluminiumbesteck für diese Anlässe eingekauft.

Ein Vorläufer der „Mini-Bar“

Richtig in Schwung kam das Geschäft mit dem „Bodan“ jedoch erst in der Zeit des ungebremsten Wirtschaftswunders – den 1950er und 1960er Jahren. Viele Firmen wollten ihren Mitarbeitern etwas Besonderes bieten Und so organisierten sie eine „Fahrt ins Blaue“ Richtung Bodensee  - und zwar in Sonderzügen der SBB, die mit 800 bis 1000 Personen gefüllt waren! Nach einer Schifffahrt auf dem See, ging es dann in den Bodansaal zum Nachtessen mit Unterhaltung. Diese Veranstaltungen gingen meist weit über Mitternacht hinaus. Ein Sonderzug brachte dann die Feiernden gegen 2 Uhr in der Früh wieder nach Hause. Auch hier nützte der gewiefte Geschäftsmann E.A. Züllig die Gunst der Stunde. Sohn Andreas erinnert sich:

„Da sich mein Vater noch einen Zusatzverdienst versprach, stieg er kurzerhand, ausgerüstet mit Getränken, mit in den Zug. Ich gehe davon aus, dass es sich vor allem um Bier handelte. Man könnte fast sagen, dass es sich bei dieser Aktion um einen Vorläufer der heutigen Minibar gehandelt hat. Meine Mutter wusste meistens nicht, wohin und wie lange mein Vater unterwegs war. Irgendwann im Laufe des Tages tauchte er  dann wieder im „Bodan“ auf. Trotz der Feierlaune, ist er aber immer gemeinsam mit dem Leergut wieder zu Hause eingetroffen.“

Nur auf Befehl wurde geschossen

Legendär waren natürlich auch die Masken- und Kinderbälle im Bodansaal. An die letzteren hat Andreas Züllig positive Erinnerungen – auch wenn der „Drill“ der damals herrschte, aus heutiger Sicht ein wenig befremdet. „Schreckschusspistolen waren erlaubt. Geknallt wurde aber nur alle halbe Stunde auf Befehl meines Vaters. Dieser hatte den ganzen „Zirkus“ von der Bühne aus im Griff. In militärischem Ton wurde am Anfang des Anlasses bekannt gegeben, was, wann und wie erlaubt oder eben nicht erlaubt war.“

Doch auch von den Maskenbällen am Abend profitierte der Junge, obwohl er ihnen aus Altersgründen nicht beiwohnen durfte: „Am nächsten Tag durfte ich die „Happy Rancho Bar“ unter dem Bodansaal reinigen und aufräumen. Ich habe das sehr gerne gemacht. Erstens habe ich den speziellen Geruch von Rauch und ausgeschüttetem Bier und Schnaps geliebt und vor allem habe ich beim Aufräumen immer wieder Münzen gefunden. Scheinbar hatten die Gäste zu später Stunde, unter Alkoholeinfluss, beim Bezahlen Mühe, das Kleingeld im Griff zu haben. Und ich konnte so ein wenig mein Taschengeld aufbessern.“

Von Polaroid und Polonaise

Doch es gab auch andere, weniger kommerzielle Anlässe wie die jährliche „Chüngeli-Ausstellung“ des Ornithologischen Verein Romanshorn oder die Weihnachtsausstellung. An letzterer präsentierten die Gewerbetreibenden des Dorfes, was so alles der letzte  modische oder technologische Schrei war.  So dürften viele Romanshorner an einem Stand von „Radio & Fernsehen Tschümperlin“ den ersten Farbfernseher ihres Lebens gesehen haben. Zu verschiedenen Zeiten, eben just dann, wenn die Fernsehstationen ein Programm in Farbe ausstrahlten, fanden sogenannte „Vorführungen“ statt. Das Bild war schlecht, der Andrang gross. Doch es gab auch sonst viel Neues. Andreas  Züllig erinnert sich: „Auch an einer der Weihnachtsausstellungen, habe ich zum ersten Mal eine Polaroid Farb-Sofortbildkamera gesehen. Das muss so um 1970 gewesen sein. Das war damals eine richtige Sensation.“ Auch die obligate Tombola war damals alles andere als jugendfrei. „Ich habe da mein erstes Päckchen Zigaretten gewonnen“, erinnerte sich Züllig.  An Silvester – jeweils einer der „Bodan“-Höhepunkte im Winter -  wurden bis zu 600 Gäste  verpflegt und unterhalten. Zum Abschluss gab es um 4 Uhr morgens, nach einer Polonaise durchs ganze Hotel, in der Küche Mehlsuppe mit Wienerli und Brot. Aufgeräumt wurde noch am selben Morgen bis um 7 Uhr. Vom wem? „Von uns Kindern. Als Stundenlohn erhielten wir  50 Rappen und einen Coupe“, weiss Andreas Züllig noch ganz genau.

Während den Sommermonaten war jahrelang das Trio „Bobby, Max und Moritz“ zu Gast im Bodan. Im Vertrag  - der gerade einmal eine Seite umfasste - wurde geregelt, dass das Trio täglich von 20.15 bis 23.30 Uhr und am Sonntag von 16 bis 18.00 Uhr spielte. Max und Moritz erhielten zu jeder Mahlzeit je zwei (!) Essen, Bobby eines. Die Gage betrug 150 Franken je Tag und Überstunden wurden mit 25 Franken entlohnt. Alles in allem dürfte es für den umtriebigen E.A. Züllig ein sehr gutes Geschäft gewesen sein, denn in der Sommersaison 1960 kamen rund 20'000 Gäste aus der ganzen Ostschweiz in den Bodansaal. Der Eintritt betrug 55 Rappen an den Wochentagen, 1.10 Franken am Sonntagabend und 1.65 am Samstagabend; dazu kam dann noch die Billetsteuer.

Kein Wunder, gab es regelmässig wegen Nachtruhestörungen Probleme – denn die direkten  Nachbarn hatten nicht so viel Freude an der guten Stimmung im Bodansaal. Insbesondere an lauen Sommerabenden herrschte viel Betrieb auf der damals noch offenen Terrasse. Aus der Korrespondenz mit der Gemeinde („die Musik muss um 22 Uhr aufhören…“) geht hervor,   dass diese knapp vor der Sommersaison, die Bewilligung nicht vollumfänglich erteilen wollten. Doch da hatte die Behörde die Rechnung – im wahrsten Sinne des Wortes – ohne den Wirt gemacht. „Mit Gepolter und deutlichen Worten konnte mein Vater damals ein finanzielles Desaster verhindern“, weiss Andreas Züllig zu berichten. Jedoch wurde im folgenden Jahr die Terrasse komplett eingeschalt und mit elektrischen Fenstern ausgestattet. Der Umgebungslärm mit grölenden Gästen, die sich auf dem Heimweg befanden, oder Autos, die einen Parkplatz suchten, waren natürlich auch weiterhin vorhanden.

„E.A. Züllig hat dem Dorf gut getan“

Der 75-jährige ehemalige Romanshorner Hotelier („Schweizerhaus“) und heute noch als Entertainer  („Frohländer“) tätige Kurt Oberländer, welcher selbst auch im „Bodan“ auf der Bühne stand, erinnert sich gerne an diese Zeit zurück: „Ja, der Bodansaal wurde in diesen Jahren zu etwas ganz Besonderen. Zu etwas, was ganz Romanshorn stolz werden liess.“ Und wie war sein Verhältnis zu E. A. Züllig? „Ich habe ihn gemocht – was man wirklich nicht von allen sagen konnte. Er war aufgrund seiner Leistungen  respektiert und dennoch auch ein Exot und Schlitzohr. Ich selber finde, dass er dem Dorf auf seine Art einfach gut getan“, lacht Oberländer.

Doch nicht immer war der E.A. Züllig gut auf seine Gäste zu sprechen. In der Nachkriegszeit stellten viele Leute ihre Velos direkt an der Rückwand zum Saal ab. Nachdem E. A. Züllig die Tanzenden einige Male ermahnt hatte, ihre Drahtesel doch bitte woanders zu parkieren, diese aber nicht dergleichen taten, liess Züllig  eines späten Abends  - während die Leute im Saal tanzten - einen Kran auffahren. Als diese dann den Nachhauseweg antreten wollten, fanden sie ihre Velos zu einem zehn Meter hohen Haufen aufeinander gestapelt.

Legendär waren auch die Mittwochabende mit dem „Jekami“ (Jeder kann mitmachen). Qualitativ unterschiedliche Darbietungen wie Gesang, Tanzen und Turnübungen wurden dargeboten und eine Jury sowie die Zuschauer stimmten über das Dargebotene ab. Volle 50 Franken betrug der erste Preis. Junge Künstlerinnen wie der singende St. Galler Teenager Paola oder der Bauchredner Kliby mit seiner Caroline kamen regelmässig jeden Mittwoch, um sich die 50 Franken zu verdienen und sich gleichzeitig einem grösseren Publikum vorzustellen. Am Ende der Saison gab es ein grosses Finale mit einer professionellen Jury. „Nach meiner Erinnerung war sogar einmal Hazy Osterwald auf der Suche nach Talenten in der Jury, was für den Bodan und meinen Vater damals natürlich eine grosse Ehre war“, erinnert sich Andreas Züllig.

Die heute unter dem Namen Paola Felix bekannte Schweizer Sängerin und Fernsehmoderatorin trat am Vorabend ihres internationalen Durchbruchs – der ihr 1969 in Madrid im Rahmen  des Eurovision Song Contest mit „Bonjour, Bonjour“ glückte - des Öfteren in im Bodansaal auf. Paola erinnert sich: „Die Stimmung war stets gut im Bodansaal und ich habe dort immer gerne gesungen.“ Unwichtig waren diese Auftritt für Paola mitnichten: „Sie bedeuteten für mich eine weitere Sprosse auf der Karriereleiter nach oben. Und dafür bin ich heute noch dankbar“,  erklärt die Künstlerin im Gespräch.

Anfangs der siebziger Jahr ritt der „Bodan“ auf der Popwelle mit: Auftritte von der bekannten  deutschen Beat - „The Lords“ („Poor Boy“) sowie den „Les Sauterelles“ um Toni Vescoli  („Heavenly Club“) aus der Schweiz lockte die Jugend der Beat-Generation in den „Bodan“. Der Höhepunkt der Beatwelle war aber, als die bekannte Fernsehsendung „The Beat-Club“ im Bodan-Saal gastierte. Dass das Fernsehen nach Romanshorn kam, war natürlich eine Sensation.

Doch schon bald danach endete die Epoche E.A. Züllig – und zwar genau so, wie sie angefangen hatte, nämlich an einem 30. September, dem Geburtstag von E.A.Züllig. Nach insgesamt 32 Jahren hörte der Hotelier 1974 im Alter von 60 Jahren auf, im „Bodan“ zu wirten. Ernst Arnold und Martha Züllig zogen sich ins Privatleben zurück und reisten viel. Doch ganz konnte E.A.Züllig es nicht lassen, half er doch seinem Sohn Reto, welcher das Restaurant Urania in Zürich gepachtet hatte, beim Aufbau des Unterhaltungsprogramms und konnte somit das tun, was er Zeit seines Lebens am liebsten tat: für Stimmung sorgen. 1990 starb E.A. Züllig unerwartet an einer Lungenembolie im Alter von 76 Jahren. Seine Frau Martha lebte bis 2004 in Romanshorn an der Arbonerstrasse 36 und verbrachte ihre letzten Monate im Pflegeheim in Romanshorn und im Alters- und Pflegeheim Seerose in Egnach.

Langsamer, aber steter Niedergang

Nach der Ära E.A. Züllig setzte bis heute ein über mittlerweile dreieinhalb Jahrzehnte dauernder,  schleichender Niedergang des Bodansaals ein. Doch auch wenn der äussere Schein je länger, desto weniger mit dem inneren Sein und den früheren Ansprüchen übereinstimmte - der Bodansaal weckte und weckt bis heutzutage Emotionen.

So wunderte sich eine Frau namens Sybille Hug im Jahr 1997, als kurz zuvor Hinzugezogene, mit welcher Hingabe an der Gemeindeversammlung die Frage, ob die Politische Gemeinde die Küche des „Bodan“ übernehmen solle oder nicht, diskutiert wurde. In einem Leserbrief, der 2009 im „Tagblatt für den Kanton Thurgau“ erschien, schrieb Sybille Hug rückblickend:  

„An der ersten Gemeindeversammlung, welche ich 1997 in Romanshorn erlebte, war zu der Frage, ob die Gemeinde die Küche im Bodan übernehmen solle, abzustimmen. Dieses Thema brannte den Romanshornerinnen und Romanshornern dermassen unter den Nägeln, dass 791 Stimmberechtigte in den Bodansaal strömten und die Versammlung aus Platzgründen kurzerhand in die Kirche verlegt werden musste. Als Neuzuzügerin war ich erstaunt, wie eine an sich harmlose Abstimmung so viele Bürgerinnen und Bürger in Aufruhr versetzen konnte. Mit der Zeit erfuhr ich um die ehemalige Bedeutung dieses Saals für Romanshorn und die ganze Ostschweiz. Legendär sollen sie gewesen sein, die Fastnachtsbälle mit E.A. Züllig oder die sommerlichen Tanzabende mit dem bekannten Trio Bobby, Max und Moritz. Aus der ganzen Ostschweiz strömten Menschen in unser Dorf, um sich zu vergnügen.“

„Knast ist bestimmt gemütlicher“

Doch was einst gut und teuer war, ist heute eigentlich nur noch das Letzte. Durchstöbert man beispielsweise diverse Internetseiten, auf denen Hotels unkompliziert gebucht und bewertet werden können, erweckt das Hotel Bodan einen mehr als nur jämmerlichen Eindruck.

So schreibt ein Gast aus München, welcher am 20. Mai 2010 im „Bodan“ nächtigte, über das Hotel: „Schön in Romanshorn in Seenähe gelegen, enttäuscht das Hotel Bodan auf ganzer Linie: Das Essen war sehr versalzen und lieblos angerichtet, das Ambiente ist trist, auf dem Toilettenboden bewegten [sich] Flüssigkeiten. Das Hotel hat mit Sicherheit schon bessere Zeiten gesehen.“  Dass diese Tristesse nicht erst „gestern“ im „Bodan“ Einzug gehalten hat, zeigt auf einer anderen Webseite  der Kommentar eines junges, deutsches Ehepaar, welches im Sommer 2007 unter dem Titel „Hotel Bodan? Nie wieder“  und dem Stichwort „Zimmer“ schreibt:  „Katastrophe schlechthin! Elektrische Leitungen sind an den Wänden freiliegend verlegt, Schimmel an der Wand. Sanitäre Anlagen zwar sauber, aber verlottert. Zugang zum Hotel ausschliesslich über Fahrstuhl, der auf dem Hinterhof endet, Treppe haben wir nicht gezeigt bekommen.“ Doch es geht noch „härter“. Bereits im Juni 2006 schreibt ein „Sven“  im Internet unter dem Titel „Finger weg! Knast ist bestimmt gemütlicher!“ einen sehr umfangreichen Kommentar, der im vielsagenden Satz „Der Frühstückskellner war sehr freundlich - dafür 3 Punkte (von 100)“ gipfelt.

Roli Berner: „Ich würde das Ganze abreissen“

Dieser Meinung ist auch der gebürtige Romanshorner und bekannte Bauchredner Roli Berner, welcher 1975 als 14-jähriger seinen ersten Auftritt („das war ein Reinfall“) im Bodansaal hatte, jedoch bei seinem zweiten Auftritt 1978 vor dem Heimpublikum glänzte. „Das war wohl gewissermassen ein Nicolas-Senn-Effekt“, lacht er. Doch das Lachen verging ihm schnell, als er 1998 zusammen mit drei Partnern den „Bodan“ auch „aus Nostalgie“ übernahm. Stets seien ihm „Knüppel zwischen die Beine“ geworfen worden“ – und zwar von Einheimischen, welche „immer nur alles mit der Ära E.A. Züllig verglichen haben.“ Dabei sei dieser, so Berner,  nicht nur ein glänzender Geschäftsmann gewesen, sondern habe auch den „Bodan“ ausbluten lassen, indem er nur sehr wenig in die Infrastruktur investierte. Das fing schon beim Geschirr an. „Als wir den „Bodan“ übernommen haben, haben wir ein aus SBB-Bahnhofbuffet-Beständen bestehendes Geschirr-Service angetroffen. Mit Tellern, die mal mit „Bahnhofbuffet Olten“, mal mit „Bahnhofbuffet Solothurn“ angeschrieben waren, aber kein einziges, vernünftiges Service“, erinnert sich Berner.

Heute kann er darüber lachen. Doch eine Zukunft gibt Berner, welcher am Ende seines zweijährigen Abenteuers mit einem Schuldenberg von 400‘000 Franken da sass, dem „Bodan“ heute nicht: „Ich würde das Ganze abreissen und neu bauen, denn die Substanz des Hauses ist sehr schlecht.“

Doch unabhängig davon, wo und wann ein Neubau von wem auch immer einmal realisiert werden sollte – eines weiss Roli Berner heute schon: „Mir ist das Ganze so ziemlich etwas von egal.“  Aufgrund der Erfahrungen, die Berner mit dem „Bodan“ als Besitzer gemacht hat, kann man ihm eine solche Aussage nicht verübeln.

Doch dass diese Ansicht von den meisten Romanshornern geteilt wird, darf zumindest bezweifelt werden.