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Der Mann der halben Geschichten
GACHNANG ⋅ Schriftsteller Reeto von Gunten präsentierte am Samstag in der Mehrzweckhalle seine «Demopapes». Bei der Lesung liess er das meiste in den Köpfen des Publikums abspielen.
Reeto von Gunten ist eine Herausforderung – das behauptet er von sich selbst. Und am Samstagabend stellte dies der Mann, der von Medien schon ebenso marktschreierisch wie falsch als «Hohepriester der Hipster» betitelt wurde, in der Gachnanger Mehrzweckhalle auch eindrucksvoll unter Beweis. Zu dem speziellen Kulturabend hat die Kulturkommission Gachnang eingeladen.
Von Guntens Erzählstil fordert viel von einem. Denn die Geschichten, die manchmal zehn Minuten, oft jedoch nicht einmal eine ganze Buchzeile dauern, verlangen nach der Bereitschaft des Individuums, sich wirklich auf das Gehörte einzulassen. Wer einfach nur zuhört, weil er vielleicht auf den einen oder anderen Gag wartet, wird, obwohl der Abend an Wortwitz reich ist, hingegen kaum auf seine Kosten kommen. Wer jedoch – wie es von Gunten es selbst auch empfiehlt – einfach die Augen schliesst und lauscht, umso mehr.
Dem Klang der Stille gelauscht
Das Werk des Erzählers hat viel mit Musik, Rhythmen und mit Brechungen zu tun. Oft inhaltlich, im Grunde aber immer auch stilistisch. Dabei sind es manchmal nur Lautverschiebungen, welche dem Satz Tiefe verleihen. Und zwar so subtil, dass man diese oft erst dann in ihrer ganzen poetischen Dimension zu erfassen glaubt, wenn bereits der letzte Ton verklungen und ein neues «Lied» angestimmt ist.
Dabei hilft es sehr, wenn man die Augen schliesst und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren versucht. Zumal der Autor an diesem Abend nur hinter seinem Pult hockt und vorliest. Die Handlung findet nicht auf der Bühne statt, sondern im Kopf. Und das nicht zu knapp.
Dass dem so ist, verdankt das Publikum auch von Guntens so innig geliebten «Demopapes», die so heissen, weil sie für den Schriftsteller das sind, was früher ein Demotape für eine Band war: ein ungeschliffenes musikalisches Statement, das dem Produzenten das Potenzial der Band andeuten sollte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Natürlich spielt da eine ganze Menge an Koketterie mit, wenn der Autor behauptet, die «Demopapes» seien oft nicht mehr als Gedankenfetzen, die er sofort notiert und dann wieder weggelegt habe, nur um sie dann vor dem Publikum auf ihre Bühnentauglichkeit auszuprobieren. Aber die Gachnanger liessen sich bereitwillig auf diese Kürzest-Prosa ein und wurden dafür mit einem Abend belohnt, der in vielen noch ziemlich lange nachhallen dürfte – weit über die Erinnerung an die einzelnen Geschichten hinaus. Nämlich als eine Art anspruchsvolle und gerade deshalb auch schöne Kopf-Musik.